Höhenänderungen des Antarktischen Eisschildes: Analyse, Validierung und Kombination von Messungen aus 40 Jahren Satellitenaltimetrie

Die Veränderungen des Antarktischen Eisschildes (AIS) haben einen entscheidenden Einfluss auf den Meeresspiegel. Für Prädiktionen zukünftiger Szenarien des globalen Klimawandels ist das Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse und damit die Beobachtung gegenwärtiger Veränderungen unabdingbar. Mit...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Schröder, Ludwig
Other Authors: Horwath, Martin, Wanninger, Lambert, Humbert, Angelika, Technische Universität Dresden
Format: Doctoral or Postdoctoral Thesis
Language:German
Published: 2019
Subjects:
Online Access:https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-380620
https://tud.qucosa.de/id/qucosa%3A38062
https://tud.qucosa.de/api/qucosa%3A38062/attachment/ATT-0/
Description
Summary:Die Veränderungen des Antarktischen Eisschildes (AIS) haben einen entscheidenden Einfluss auf den Meeresspiegel. Für Prädiktionen zukünftiger Szenarien des globalen Klimawandels ist das Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse und damit die Beobachtung gegenwärtiger Veränderungen unabdingbar. Mit Hilfe von Satellitenaltimetrie lässt sich die Massenbilanz des AIS großflächig, hochaufgelöst und kontinuierlich ermitteln. Da viele Prozesse jedoch auf sehr langen Zeitskalen ablaufen, ist es das Ziel dieser Arbeit, durch Validierung, Kalibrierung und Kombination der Messungen verschiedener Altimetermissionen die Zeitreihen der Beobachtungen maximal zu verlängern. Nur so lassen sich interannuale Variationen vom Langzeittrend trennen, was entscheidend für das Verständnis der Prozesse der Oberflächenmassenbilanz und der Eisdynamik ist. Die Ausgangsdaten dieser Arbeit bilden altimetrische Höhenmessungen des AIS. Zur Analyse ihres Genauigkeitspotenzials und um Kalibrierfehler aufzudecken, werden diese Messungen mit unabhängigen In-situ-Daten validiert. In dieser Arbeit wurde hierfür ein umfangreicher Datensatz von kinematischen GNSS-Profilen verwendet, welche zwischen 2001 und 2015 beobachtet wurden und mit Profillängen von bis zu 1700 km das gesamte topografische Spektrum des Eisschildes abdecken. Neben der anspruchsvollen differenziellen Auswertung der GNSS-Profile mit Basislinienlängen von über 1000 km erfordert auch die Reduktion der Höhe der Antenne auf die Schneeoberfläche aufgrund des Einsinkens der Zugmaschinen in die oberen Firnschichten besondere Berücksichtigung. Anhand dieser Daten wurden Radaraltimetermessungen in unterschiedlichen Prozessierungsvarianten verglichen, um den Einfluss der Wahl der Auswerteansätze zu quantifizieren. Die Genauigkeit der Radaraltimetrie von Eisschilden wird dominiert durch das Retracking zur Ableitung der exakten Signallaufzeit und durch die Methode der Korrektion topografischer Einflüsse. Die Validierung zeigt, dass durch einen schwellwertbasierten Retracker und die Relokation der Messung zum satellitennächsten Punkt die höchste Genauigkeit erreicht wird. Optimierte Varianten dieser Ansätze wurden zur konsistenten Reprozessierung aller Radarmessungen verwendet, wodurch nicht nur ein einheitlicher Datensatz geschaffen, sondern auch die Genauigkeit der meisten Messungen um etwa 50% verbessert wurde. Auch die Laseraltimetermessungen von ICESat wurden anhand der GNSS-Profile kalibriert. Hier wurden Laserkampagnenbias bestimmt und korrigiert, welche andernfalls abgeleitete Höhenänderungsraten um etwa 1,2±0,3 cm/a verfälscht hätten. Zur gemeinsamen Auswertung der Altimetermissionen Seasat, Geosat, ERS-1, ERS-2, Envisat, ICESat und CryoSat-2 wurde der Ansatz der Wiederholspuranalyse verwendet und noch erweitert, um spezifische Charakteristika unterschiedlicher Missionen entsprechend berücksichtigen zu können. Die hieraus abgeleiteten Zeitreihen beinhalten noch die Kalibrierbias der jeweiligen Messungen, welche im Anschluss unter Beachtung von Aspekten technikspezifischer Abtastung des Geländes und zeitlicher Distanz verschiedener Missionen schrittweise bestimmt und korrigiert werden. Das Ergebnis dieser kombinierten Auswertung bilden monatlich aufgelöste Zeitreihen von Höhendifferenzen gegenüber einer Referenzepoche auf einem Gitter von 10x10 km. Die Validierung mit kinematischen GNSS-Profilen, wie auch mit flugzeuggestützten Lasermessungen, bestätigt die beobachteten Höhenänderungen der kombinierten Zeitreihen und zeigt, dass auch die abgeleiteten Fehlermaße realistische Abschätzungen der Unsicherheit darstellen. Nach Korrektion der Höhenänderungen um Ausgleichsbewegungen der festen Erde und der Umrechnung in eine Massenänderung lässt sich aus diesen Beobachtungen die Massenbilanz verschiedener Regionen des Antarktischen Eisschildes ableiten. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass der beobachtete Teil des AIS nördlich von 81,5° südlicher Breite im Schnitt 85±16 Gt/a zwischen 1992 und 2017 an Masse verloren hat. Die Zeitreihen zeigen, dass diese Rate sich vor etwa 10 Jahren nochmals deutlich beschleunigte, so dass der Massenverlust zwischen 2010 und 2017 137±25 Gt/a betrug. Die Unterteilung in verschiedene Teilregionen des Eisschildes zeigt, dass diese Verluste nahezu vollständig der Westantarktis und der Antarktischen Halbinsel zuzuschreiben sind, während sich in der Ostantarktis Regionen mit Massenverlusten und mit Massenzuwächsen gegenseitig ausgleichen. Aus der Analyse der altimetrischen Beobachtungen der küstennahen Regionen der Ostantarktis, welche bis 1978 zurückreichen, geht hervor, dass der Trend über 25 Jahre sich auch vor 1992 in ähnlicher Weise fortsetzen lässt, so dass hier tatsächlich von einem Langzeittrend gesprochen werden kann. Allerdings wird dieser Trend oftmals durch interannuale Variationen überlagert, was sich aus den monatlichen Zeitreihen gut ablesen lässt und entscheidend für die Interpretation ist. Ein Vergleich mit Massenzeitreihen aus gravimetrischen Beobachtungen und Modellierungen der Oberflächenmassenbilanz zeigt eine hohe Konsistenz der Ergebnisse unterschiedlicher Beobachtungsverfahren, birgt jedoch auch Hinweise, wo Annahmen über die zugrunde liegenden Prozesse zu hinterfragen sind. Somit liefert dieser Vergleich einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Prozesse der Eismassenbilanz des AIS. Die Grundlage der vorliegenden kumulativen Dissertation bilden zwei wissenschaftliche Publikationen. Die erste Publikation befasst sich mit der Validierung und Kalibrierung unterschiedlicher Altimeterprodukte mit In-situ-Messungen und beinhaltet in diesem Zusammenhang auch Details zur Auswertung der kinematischen GNSS-Profile, welche die Grundlage dieser Untersuchungen bilden. Die zweite Publikation baut auf den Ergebnissen der vorherigen Studie auf, beschreibt die Reprozessierung und die Kombination der Daten verschiedener Altimetermissionen und analysiert die Ergebnisse dieser Multimissionszeitreihen Antarktischer Eishöhenänderungen. Insgesamt soll diese Arbeit einen Beitrag zum verbesserten Verständnis der Veränderungen des AIS im Zuge des globalen Klimawandels liefern. Darüber hinaus zeigt sie auch weiteres Potenzial für zukünftige Arbeiten auf.:Zusammenfassung Abstract 1. Einführung 1.1. Die polaren Eisschilde 1.2. Satellitengestützte Beobachtungsverfahren 2. Satellitenaltimetrie 2.1. Messprinzip 2.2. Komponenten der Oberflächenhöhenbestimmung 2.2.1. Orbitbestimmung 2.2.2. Distanzmessung 2.3. Missionen 2.4. Satellitenaltimetrie über Eisschilden 2.4.1. Analyse des Rückkehrsignals 2.4.2. Topografiekorrektion 2.4.3. Interferometrischer SAR-Modus 2.4.4. Bias bei Eisaltimetrie 3. Bestimmung von zeitlichen Variationen der Eisoberflächenhöhe 3.1. Methoden zur Bestimmung von Höhenänderungen 3.2. Kombination unterschiedlicher Missionen 4. Validierung 4.1. Messunsicherheiten und Arten der Validierung 4.2. Absolute Validierung mit kinematischen GNSS-Profilen 4.3. Validierung der Bestimmung von Höhenänderungen 5. Geophysikalische Interpretation 5.1. Von Höhenänderungen zur Eismassenbilanz 5.2. Vergleich unterschiedlicher Beobachtungsverfahren 6. Publikationen PI. Validierung von Satellitenaltimetrie mittels kinematischem GNSS PII. Multimissions-Satellitenaltimetrie über vier Jahrzehnte 7. Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis Changes of the Antarctic Ice Sheet (AIS) have a significant impact on sea level. To predict future scenarios of global climate change, it is essential to understand the contributing processes and, therefor, to observe current changes. Large scale, high resolution and continuous mass balances of the AIS can be obtained with the help of satellite altimetry. As many processes here act over very long temporal scales, the goal of this work is to validate, calibrate and combine the measurements of different altimetry missions in order to obtain time series which are as long as possible. Only such long-term observations allow to separate interannual variations from the long-term trend, which is crucial to understand the processes of surface mass balance and ice dynamics. Altimetric observations of elevation of the AIS are the basic data used in this work. In order to analyze their accuracy and precision, these measurements are validated using independent in situ observations. Here, an extensive set of kinematic GNSS-profiles was utilized for this purpose. These profiles were observed between 2001 and 2015 and, with lengths of up to 1700 km, they cover the whole spectrum of ice sheet topography. To obtain high precision surface elevation profiles, not only the demanding differential GNSS-processing with baseline lengths of more than 1000 km needs to be treated very carefully, also the reduction of the antenna height measurement to the snow surface requires special attention as the heavy vehicles sink into the upper firn layers in some regions. With the help of this data set, radar altimetry measurements in different processing versions are compared in order to quantify the influence of the choice of methods to derive the surface elevation. The uncertainty of a radar altimetry measurement of an ice sheet is dominated by the method of retracking, which is used to defined the exact signal travel time, and the methodology to correct for topographic effects. The validation shows that a threshold based retracker and the method of relocating the measurement to the point of closest approach provides the highest accuracy and precision. All radar altimetry measurements have been consistently reprocessed using optimized versions of these approaches. This provided a uniform data basis for their combination and, at the same time, improved the accuracy of these measurements by about 50%. Also the laser measurements of ICESat were calibrated using these profiles. This helped to correct for the laser campaign biases, which, otherwise, would distort any inferred surface elevation rate by 1.2±0.3 cm/yr. The joint processing of the missions Seasat, Geosat, ERS-1, ERS-2, Envisat, ICESat and CryoSat-2 was performed using the repeat altimetry method. Here, several extensions of this approach were developed to cope with the characteristics of the different missions. The derived time series still contained calibration biases, which were determined and corrected for in the following stepwise approach, taking into consideration aspects as the topography sampling of different techniques and the temporal sequence of the missions. The result of this combination are monthly time series of elevation changes with respect to a reference epoch, gridded on a 10x10 km raster. The validation with kinematic GNSS-profiles, as well as with airborne laser measurements, confirms the elevation changes from the multi-mission time series and proves that also the uncertainty estimates of these results are realistic. The mass balance of different regions of the Antarctic Ice Sheet was obtained by correcting the surface elevation changes for changes of the underlying solid earth and transforming the results into mass. The obtained data shows that the observed part of the AIS north of 81.5° southern latitude lost an average amount of mass of 85±16 Gt/yr between 1992 and 2017. The time series reveal that this rate accelerated about 10 years ago, leading to a rate of 137±25 Gt/yr between 2010 and 2017. Individual time series of different parts of the ice sheet show that these losses originate almost completely from the West Antarctic Ice Sheet and the Antarctic Peninsula. In contrast for East Antarctica, regions with negative and positive mass balances compensate each other almost entirely. In coastal East Antarctica, where the altimetric observations range back until 1978, the results show that the rate over 25 years continues very similarly also before 1992, which proves that the rates, observed here, can be considered as long-term rates. However, the monthly time series also reveal, that this trend is superimposed by interannual variations, which is crucial for the interpretation of these elevation changes. A comparison with mass time series from gravimetric observations and models of surface mass balance demonstrates the high consistency of the results. On the other hand, this comparison also reveals some discrepancies, indicating where the assumptions about the underlying processes need further improvements. Hence, this comparison provides new insights for the understanding of the processes contributing to the mass balance of the AIS. This dissertation is based on two scientific publications. The first paper describes the validation and calibration of different products of altimetry using in situ data. Therefore, it also contains details towards the processing of kinematic GNSS-profiles which form the basis of this investigation. Based on these results, the second paper describes the reprocessing and the combination of different altimetry missions and analyzes the results of these multi-mission time series of Antarctic surface elevation changes. In conclusion, this work aims to contribute to a better understanding of the changes of the AIS under a changing climate. Furthermore, it also points out potential aspects for further improvements.:Zusammenfassung Abstract 1. Einführung 1.1. Die polaren Eisschilde 1.2. Satellitengestützte Beobachtungsverfahren 2. Satellitenaltimetrie 2.1. Messprinzip 2.2. Komponenten der Oberflächenhöhenbestimmung 2.2.1. Orbitbestimmung 2.2.2. Distanzmessung 2.3. Missionen 2.4. Satellitenaltimetrie über Eisschilden 2.4.1. Analyse des Rückkehrsignals 2.4.2. Topografiekorrektion 2.4.3. Interferometrischer SAR-Modus 2.4.4. Bias bei Eisaltimetrie 3. Bestimmung von zeitlichen Variationen der Eisoberflächenhöhe 3.1. Methoden zur Bestimmung von Höhenänderungen 3.2. Kombination unterschiedlicher Missionen 4. Validierung 4.1. Messunsicherheiten und Arten der Validierung 4.2. Absolute Validierung mit kinematischen GNSS-Profilen 4.3. Validierung der Bestimmung von Höhenänderungen 5. Geophysikalische Interpretation 5.1. Von Höhenänderungen zur Eismassenbilanz 5.2. Vergleich unterschiedlicher Beobachtungsverfahren 6. Publikationen PI. Validierung von Satellitenaltimetrie mittels kinematischem GNSS PII. Multimissions-Satellitenaltimetrie über vier Jahrzehnte 7. Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis