Der Mond als Infrarotstrahlungsquelle für ein bodengebundenes Fourierspektrometer: Messung, Kalibrierung und Auswertung atmosphärischer Absorptionsspektren

Im Winter 1995/96 wurde der Mond zusätzlich zur Sonne als Infrarotstrahlungsquelle zur Messung atmosphärischer Absorptionsspektren mit einem bodengebundenen Fourierspektrometer vom Typ Bruker IFS 120 M genutzt, das in der Nähe von Kiruna in Nordschweden betrieben wurde. Dabei wurden im kurzwelligen...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Schreiber, Jürgen
Format: Text
Language:German
Published: Karlsruhe 1999
Subjects:
Online Access:https://dx.doi.org/10.5445/ir/30099
https://publikationen.bibliothek.kit.edu/30099
Description
Summary:Im Winter 1995/96 wurde der Mond zusätzlich zur Sonne als Infrarotstrahlungsquelle zur Messung atmosphärischer Absorptionsspektren mit einem bodengebundenen Fourierspektrometer vom Typ Bruker IFS 120 M genutzt, das in der Nähe von Kiruna in Nordschweden betrieben wurde. Dabei wurden im kurzwelligen Spektralbereich eine InSb (Indiumantimonid)-Photodiode (1,8 µm - 3,7 µm) und im langwelligen Bereich ein MCT (Mercury-Cadmium-Telluride-Legierung)-Photoleiter (9 µm \- 14 µm) als Infrarotdetektoren verwendet. Aus der Untersuchung der lunaren Strahlungscharakteristik wurde abgeleitet, daß die empfangene lunare Strahldichte im MCT-Spektralbereich um einen Faktor von ca. 10-2 und im InSb-Spektralbereich um einen Faktor von ca. 10-5 kleiner ist als die solare Strahldichte. Die dadurch auftretenden Schwierigkeiten erforderten apparative Veränderungen des Instrumentes, um ein zur Auswertung ausreichendes Signal-zu-Rauschverhältnis der Mondspektren zu gewährleisten. Dazu wurde ein signalrauschbegrenzter InSb-Detektor in Verbindung mit einem gekühlten optischen Kurzpass-Filter und einem Vorverstärker mit sehr hohem Verstärkungsfaktor benutzt. Das Detektorfenster des MCT-Detektors wurde zur Erhöhung der Transmission durch ein optisches Breitbandfilter ersetzt. In den gemessenen lunaren MCT-Spektren wurde ein Untergrund beobachtet, der auf die thermische Eigenstrahlung des Instrumentes und die thermische atmosphärische Emission zurückzuführen war. Um den instrumentellen Eigenstrahlungsuntergrund zu eliminieren, wurden die MCT-Spektren radiometrisch kalibriert. Dazu wurde eine komplexe Zweipunkt-Kalibriermethode angewandt, die einen kalten und einen warmen Schwarzkörper als Referenzquellen benötigt. Diese Methode berücksichtigt die unterschiedlichen Phasen der Eigenstrahlung und der Strahlung der externen Quellen durch Verwendung komplexer Spektren. Als kalter Schwarzkörper wurde ein mit flüssigem Stickstoff gekühlter Hohlraumstrahler mit einer speziellen Schwarzlackbeschichtung mit sehr hohem Emissionsvermögen entwickelt. Die kalibrierten Spektren zeigten eine gute Übereinstimmung mit der berechneten extraterrestrischen lunaren Strahldichte und der Strahldichte der thermischen Emission von troposphärischem CO2. Das Signal-zu-Rauschverhältnis im InSb-Spektralbereich konnte weiter verbessert werden, indem mehrere hintereinander gemessene Spektren kalibriert und als Transmissionsspektren mit ihren jeweiligen Luftmassenfaktoren gewichtet gemittelt wurden. Da im InSb-Bereich kein spektraler Untergrund vorhanden war, konnte das gemittelte Ergebnisspektrum als Transmissionsspektrum ausgewertet werden. Zur Auswertung wurde das Programmpaket RAT in Verbindung mit dem Vorwärtsmodell SCAIS benutzt, das die Strahlungsübertragung in der Atmosphäre berechnet und somit auch den Untergrund aufgrund der atmosphärischen Emission in den kalibrierten MCT-Spektren berücksichtigt. Im MCT-Spektralbereich wurden die Spurengase O3, HNO3, ClONO2 und FCKW12 (F12) und im InSb-Bereich H2O, HDO, N2O, CH4, HCl und HF ausgewertet. Außerdem wurden für jedes Gas ausführliche Fehlerrechnungen durchgeführt. Die Fehler waren für alle Gase größer als bei Sonnenmessungen. Die größten Fehler ergaben sich bei den Spurengasen mit schwachen Absorptionssignaturen wie ClONO2, HCl und HF. Die Auswerteergebnisse der lunaren Spektren wurden sowohl im InSb- als auch im MCT-Spektralbereich mit den Ergebnissen solarer Spektren verglichen, die am gleichen Tag gemessen wurden. Dabei ergaben sich für dynamisch und chemisch langsam veränderliche Spurengase gute Übereinstimmungen der bestimmten Zenitsäulengehalte, die innerhalb der berechneten Fehlergrenzen der Mondmessungen lagen. Folglich konnten unbekannte systematische Fehlerquellen bei der Kalibrierung und Auswertung der Mondspektren ausgeschlossen werden. Aus den Vergleichen mit den Ergebnissen aus Sonnenmessungen Anfang Februar 1996 konnten signifikante Tag-Nacht-Variationen der Spurengase H2O, HDO, O3 und HNO3 festgestellt werden. H2O und HDO zeigten einen tagsüber um ca. 10% erhöhten Säulengehalt, der auf Verdunstungsprozesse zurückgeführt werden konnte. Für die Variationen von O3 um ca. 13 % und HNO3 um ca. 18 % steht eine eindeutige Erklärung noch aus. Mit dem Mond als Strahlungsquelle kann die Polarnacht, die in Kiruna von Mitte November bis Mitte Januar dauert, überbrückt werden. Dabei können die in der Polarnacht ablaufenden Prozesse studiert werden. So konnten im Winter 1995/96 Hinweise für eine sehr frühe Aktivierung von Chlor aufgrund von chemischen Prozessen an Oberflächen von polaren Stratosphärenwolken bereits während der Vollmondphase Anfang Dezember 1995 gefunden werden.