Die Seefahrt Skandinaviens bis ins 11. Jahrhundert

Skandinavien war und ist aufgrund seiner Topographie eine der Regionen Europas, die existentiell von der Schifffahrt abhängig sind. Der Seeweg war lange Zeit viel effizienter als der Landweg, um Menschen und Güter zu transportieren, daher wurden bereits zur Zeit der Sesshaftwerdung Einbäume gebaut,...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Torgersen, Sven
Format: Thesis
Language:German
Published: (:none) 2017
Subjects:
Online Access:https://dx.doi.org/10.25365/thesis.50419
https://othes.univie.ac.at/50419/
Description
Summary:Skandinavien war und ist aufgrund seiner Topographie eine der Regionen Europas, die existentiell von der Schifffahrt abhängig sind. Der Seeweg war lange Zeit viel effizienter als der Landweg, um Menschen und Güter zu transportieren, daher wurden bereits zur Zeit der Sesshaftwerdung Einbäume gebaut, um die täglich anfallenden Lasten zu transportieren. Die Schifffahrt hatte aber nicht nur aufgrund der Anforderungen im Alltag eine besondere Stellung, sondern Schiffe wurden auch mit religiösen und mythischen Vorstellungen verknüpft. Bronzezeitliche Felszeichnungen deuten jedenfalls auf einen hohen religiösen Stellenwert des Schiffs hin. Die Bauform der Schiffe in diesen Abbildungen entsprach derjenigen des auf der dänischen Insel Alsen gefundenen Hjortspringboots. Die Einsatzmöglichkeiten waren im Vergleich zu den späteren Wikingerschiffen noch relativ bescheiden. Allerdings waren diese Boote eine große Gefahr für die Küsten Skandinaviens, da mit ihnen rasche Angriffe mit einer Einsatzreichweite von ca. 90 km möglich waren. Sie waren vermutlich so schnell, dass den Bewohnern keine Zeit blieb, sich vorzubereiten. Diese latente Gefahr dürfte die Gesellschaft stark geprägt haben, denn küstennahe Bewohner mussten umfassende Maßnahmen ergreifen, um sich zu schützen. Erst 600 Jahre später erlaubt ein Schiffsfund aus dem Nydammoor in Südjütland weitere Aufschlüsse. Das Vorrücken des Römischen Reiches scheint auch Skandinavien stark beeinflusst zu haben, denn beim Nydamboot kamen Metallnieten für die Befestigung der Planken und stabilere Stevenkonstruktionen zur Anwendung. Das Fahrzeug war durch diese Neuerungen weitaus seetüchtiger als das kanuartige Hjortspringboot und konnte mehr Güter aufnehmen. Diese Attribute ermöglichten es den nordgermanischen Seefahrern, ihren Aktionsradius zu erweitern und als Piraten, die die Römer als Saxones bezeichneten, vom 3. Jh. nach Chr. an die Küsten Englands und Galliens heimzusuchen. Die Entwicklung von Schiffen wie dem Nydamboot dürfte die Auswanderung der Angelsachsen vom 5. Jahrhundert an nach England maßgeblich ermöglicht haben. Auch in Skandinavien ergaben sich Konsequenzen aus der Verwendung neuartiger Schiffe, etwa die Verlegung gotländischer Siedlungen ins Landesinnere, um Zeit für die Vorbereitung auf einen Seeangriff zu gewinnen. Eines der größten Rätsel der nordeuropäischen Seefahrtsgeschichte ist die späte Einführung des Segels. Doch gegen Ende des 8. Jahrhunderts dürften die Skandinavier das Segeln soweit gemeistert haben, dass sie jedes Meer und jeden schiffbaren Fluss befahren konnten. Eine Reihe von Angriffen, von denen die Plünderung des Klosters Lindisfarne im Jahre 793 ein Höhepunkt war, läutete die Wikingerzeit ein, die ohne die Adaptierung der skandinavischen Schiffe für das Segel nicht möglich gewesen wäre. Dass dieser Prozess nicht ohne Rückschläge verlief, zeigt der unterdimensionierte und gebrochene Mastpartner des ältesten gefundenen Segelschiffs in Skandinavien, des um 820 gebauten Osebergschiffs. Bei dem 90 Jahre jüngeren Gokstadschiff waren diese Fehler schon beseitigt worden. Für das 9. Jahrhundert kann man noch keine Schiffe nachweisen, die speziell für den Handel oder den Kriegsdienst gebaut waren. Das Gokstad- und Tuneschiff konnten sowohl für den Handel als auch für den Kriegsdienst eingesetzt werden. Zu dieser Zeit waren die zu transportierenden Waren meist leichte Luxusgegenstände wie Felle oder Walrosszahn, daher reichte die Tragfähigkeit dieser Schiffe aus, wie die Geschichte des Händlers Ottar zeigt. Erst der steigende Bedarf an Massengütern wie Holz und Nahrungsmitteln von sich etablierenden stadtähnlichen Siedlungen in Skandinavien, aber auch der Siedlungen in Island und Grönland machten hochseetüchtige Schiffe mit großer Ladekapazität notwendig. Die Herrscher der sich langsam etablierenden Königreiche waren an Einnahmen aus dem Handel interessiert und mussten Überfälle und Kriegszüge im eigenen Land unterbinden. Daher mussten sie für Frieden innerhalb ihrer Reiche sorgen. Für diesen Zweck brauchten sie schnelle Schiffe, die viele Krieger transportieren konnten, der Transport von sperrigen Gütern spielte bei diesen Schiffen dafür eine untergeordnete Rolle. Die Schiffsfunde aus der späten Wikingerzeit zeigen diese Spezialisierung: Einerseits gab es lange und schmale Schiffe, die sehr schnell waren und sowohl gerudert als auch gesegelt werden konnten. Andererseits gab es große, bauchige Schiffe wie die Knorr, die viel transportieren konnten und so hochseetüchtig waren, dass sie selbst Stürme überstehen konnten. Sie waren daher auch geeignet, selbst so entlegene Orte wie Grönland mit Handelsgütern zu versorgen. Gegen Ende des 11. Jhdt, mit der Etablierung großer christlicher Reiche in Skandinavien ergaben sich neue Anforderungen für die Seefahrt, die sich rasch in neuen Schiffstypen niederschlugen. Die Ära der Wikingerschiffe neigte sich dem Ende zu.