Summary: | Arktische Regionen gehören zu den Gegenden der Erde welche vom Klimawandel am meisten betroffen sind. Insbesondere Wintertemperaturen haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert und es werden längerfristige Veränderungen hydrologischer Prozesse wie z.B. Niederschlagsmengen und -formen (flüssig, fest) und Verteilung von Schneemassen diskutiert (z.B. Serreze et al., 2000; Dormann and Woodin, 2002; Acia, 2005; Lemke et al., 2007). Messfehler, inkonsequente Mess-Methoden, lückenhafte Messreihen, natürliche Witterungsschwankungen und nicht ausreichend bekannte makroklimatische Prozesse führen zu unsicheren Trendberechnungen und Klimawandelszenarios (Groisman and Easterling, 1994; Serreze et al., 2000; Forland and Hanssen-Bauer, 2003; Acia, 2005). Dementsprechend ungenau sind Modelle zur Berechnung der Schneedecke und die Vorhersagen für die nächsten Jahrzehnte reichen von höheren Schneetiefen mit entsprechend verzögertem Abschmelzen und dadurch verkürzten Vegetationsperioden bis zu reduzierten Schneetiefen mit verfrühtem Abschmelzen. Hocharktische Regionen sind aufgrund niedriger mittlerer Jahrestemperaturen ausgezeichnet durch späte Schneeschmelze und daher durch kurze Wachstumsperioden (Schmidt et al., 2006), geringe Nährstoffumsätze (Nadelhoffer et al., 1992) und ausgeprägte intra-saisonale Feuchtigkeitsschwankungen (Scott and Rouse, 1995). Die Dauer der Schneedecke steuert viele ökophysiologische Prozesse und damit letztlich Fitness und Reproduktionserfolg, welche die Artenzusammensetzung auf Landschaftsniveau entscheidend mitbestimmen. Es wurde gezeigt, dass der Reproduktionserfolg hocharktischer Arten mit steigenden Temperaturen (Arft et al., 1999) und Nährstoffverfügbarkeit (Wookey et al., 1994; 1995) zunimmt. Walker (1999) und Borner (2008) haben festgestellt, dass Diasporenproduktion stattfand, obwohl die Phänologie verzögert und die photoaktive Periode durch experimentell erhöhte Schneedecke verkürzt war. Es wurde allerdings nicht getestet, ob die Reproduktionseinheiten fruchtbar waren oder nicht. Wir vermuten, dass eine verkürzte Wachstumsperiode zu einem Mangel an Photosyntheseprodukten führt und Fruchtreifungsprozesse hemmt und dadurch Reproduktionserfolg verringert. In dieser Arbeit wurde die Schneehöhe mittels Zäunen erhöht und der Einfluss dieser Veränderung auf Phänologie und Reproduktionserfolg im Vergleich zu nicht manipulierten Umgebungsbedingungen getestet. Unsere Arbeitshypothesen waren, dass erhöhte Schneetiefe und damit einhergehender verzögerter Start der Wachstumsperiode (1) die phänologische Entwicklung verzögert, (2) die Anzahl an Diasporen verringert und (3) die Keimfähigkeit von Reproduktionseinheiten (Samen und Brutknollen) verringert. Die Studie wurde in Adventdalen, Spitzbergen (N78°10’, E16°06’) durchgeführt. Die lokalen klimatischen Eckdaten sind Jahresmitteltemperaturen von -6.7°C und jährliche mittlere Niederschlagsmengen von 190mm. Schneezäune wurden senkrecht zur vorherrschenden Windrichtung aufgestellt, um ca. 1.5m hohe Schneeansammlungen auf der Leeseite der Zäune zu produzieren. Die Phänologie von insgesamt 13 Arten wurde wöchentlich aufgenommen, wovon fünf in der vorliegenden Arbeit präsentiert werden (Bistorta vivipara, Cassiope tetragona, Dryas octopetala, Luzula arcuata ssp. confusa, Salix polaris) (Figure 1). Gleichzeitig wurden Blüten von fünf Arten gezählt (Stellaria crassipes, Saxifraga oppositifolia, Pedicularis hirsuta, Dryas octopetala, Cassiope tetragona) (Figure 3). Samen von sechs Arten wurden gesammelt, sobald sie reif erschienen, und drei Arten wurden direkt (Bistorta vivipara, Luzula arcuata ssp. confusa, Salix polaris), drei Arten nach Stratifizierung (Alopecurus magellanicus, Cassiope tetragona, Dryas octopetala) zum Keimen gebracht. Alle zwei bis sieben Tage über einen Zeitraum von 12 Wochen wurde die Anzahl der gekeimten Samen überprüft, und gekeimte Samen/Brutknollen entfernt (Figure 2). Flächen hinter den Zäunen wurden 11±4.48 Tage später schneefrei als unbeeinflusste Kontrollflächen, was dazu führte, dass die meisten Phenophasen hinter den Zäunen verzögert zu den Kontrollflächen begannen (Figure 1). Samenreife bzw. Blütenseneszenz einiger Arten trat jedoch gleichzeitig hinter den Zäunen und in Kontrollflächen ein, was einen Verlust an Reifungszeit impliziert: Es wurde hinter den Zäunen weniger Zeit nach Schneeschmelze, also nach Beginn der Wachstumsperiode, zum Reifen der Diasporen benötigt als in Kontrollflächen. Das Erscheinen individueller Phenophasen in Tagen nach der Schneeschmelze zeigte unterschiedliche Reaktionsformen für verschiedene Arten: (1) Individuen von Dryas, Cassiope und Luzula hinter den Zäunen brauchten in der ersten Hälfte der Wachstumsperiode (von Schneeschmelze bis Blütenbildung) mehr Zeit, um bestimmte Phenophasen zu erreichen als in der zweiten Hälfte. Produktion von photosynthetisch aktiven Blättern und Blüten nahm mehr Zeit in Anspruch als in Kontrollflächen und verstärkte somit den Effekt der Verkürzung der Wachstumsperiode und gab Samenreifungsprozessen noch weniger Zeit. (2) Die gleiche Anzahl an Tagen für Phenophasen vor Blütenproduktion hinter Zäunen und in Kontrollen wurde von Bistorta benötigt, für die Seneszenzphasen und Reifung der Brutkörper wurden allerdings weniger Tage benötigt. (3) Salix brauchte länger für Phenophasen vor Blütenproduktion, spätere Phenophasen waren allerdings nicht beschleunigt. Die Bluetenanzahl hinter den Zäunen war stark reduziert und der Anfang, Höhepunkt und Schluss der Blühperiode war verzögert, benötigte aber die gleiche Anzahl an Tagen nach Schneeschmelze (Figure 3). Bistorta Brutknospen und Dryas Samen von Versuchsflächen mit erhöhter Schneedecke hatten geringere Keimungsraten als Brutknospen/Samen von Kontrollflächen. Luzula zeigte insignifikante geringere Keimungsraten hinter Zäunen und Salix, Alopecurus und Cassiope zeigten keine reduzierte Keimungsfähigkeit (Figure 2). Die vorliegende Studie zeigt ähnliche Ergebnisse wie frühere Studien (Walker et al., 1999; Borner et al., 2008), und zwar dass eine erhöhte Schneedecke und der daraus resultierende verspätete Start der Wachstumsperiode zur Verkürzung der photoaktiven Periode führt: Frühe Phenophasen benötigen die gleiche Zeit bzw. teilweise länger, während späte Phenophasen der meisten Arten nach kürzerer Zeit einsetzen. Das weist darauf hin, dass frühe Phenophasen wie Produktion photosynthetisch aktiver Blätter und Blüten unabhängig von externen Einflüssen ist, also womöglich genetisch determiniert sind, während spätere Phenophasen wie Fruchtreife und Seneszenz von äußeren Signalen wie Temperatur und spektraler Zusammensetzung des Lichts beeinflusst werden (Marchand et al., 2004; Aerts et al., 2006). Der Reproduktionserfolg wurde durch eine erhöhte Schneedecke stark reduziert. Zwar wurde die Keimfähigkeit von Samen bzw. Brutknospen von nur zwei der sechs getesteten Arten beeinträchtigt, aber die Anzahl der Blüten, und damit der Samen, aller Arten war hinter Zäunen weit geringer als in Kontrollflächen. Das könnte eine Reaktion auf eine verkürzte Wachstumsperiode der vorigen Saison sein, da einige arktische und alpine Arten Blütenknospen für das nächste Jahr bereits im Vorjahr ansetzen. Die Blühphenologie war desweiteren zeitlich versetzt, und das könnte langfristige Folgen für die Symbiose mit bestäubenden Insekten haben, insbesondere wenn die Blütenentwicklung nicht mit der Bestäuberentwicklung synchronisiert ist (Olesen et al., 2008). Langfristig gesehen könnte eine durch erhöhte Schneedecke herbeigeführte Verkürzung der Wachstumsperiode die Artenzusammensetzung der betroffenen Gebiete verändern. Arten, welche auf geringe Schneetiefen angewiesen sind (z.B. Dryas) könnten an die Grenze ihrer physiologischen Wachstumsfähigkeit geraten und von anderen Arten, welche flexiblere Wachstumsschemata haben und an hohe Schneetiefen angepasst sind (z.B. Cassiope) abgelöst werden. Positive und negative Interaktionen zwischen benachbarten Individuen der gleichen und anderer Arten könnten diesen Prozess verstärken (Heegaard and Vandvik, 2004; Wipf et al., 2006). Climate change scenarios suggest, among others, an increase of solid winter precipitation in high latitude sites, leading to enhanced and more stable temperatures under a resulting deeper snowpack and later melt out dates of affected areas. Snow accumulations behind snow fences have been used to simulate an increase of snow cover in high arctic Svalbard and resulted in a delay of growing season of 11±4.48 days (mean±sd) in 2008. Phenology of five species was assessed visually throughout the season; flowers were counted for five species and germination rates of propagules of six species were investigated. Phenology behind fences was delayed for all species, whereas green-up of leaves was more delayed than (1) senescence of leaves for all but one species and (2) propagule dispersal for some species. Flowering rates were reduced due to delayed snow melt for all species. Germination rates were lower for two out of six species and to be very low for three stratified species compared to three non-stratified species from treatment and control areas. Different responses to enhanced snow cover have been found for different species. The evergreen shrub Dryas octopetala and the forb Bistorta vivipara experienced significant reduction of germination rates. The snow bed species Cassiope tetragona has shown a more flexible phenological development than other species making it more likely to dominate in an environment with later melt out dates. It has been suggested that species interactions will lead to positive feedbacks and increase the observed short-term responses in the long term leading to substantial community changes in the affected areas.
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