Description
Summary:Die eisige Landschaft übt aufgrund ihrer Ferne und der ihr inharänten Extreme, wie Kälte und monatelange Polarnacht, Faszination auf das Individuum aus. Ein Phänomen, das sich die Eisliteratur zunutze macht. Unter Eisliteratur verstehe ich Literatur, die Eis und eisige Eislandschaft maßgeblich thematisiert. Diese Texte müssen also nicht ausschließlich in den polaren Regionen situiert sein. So ist der Begriff als eine Erweiterung des u.a. von Menke verwendeten Terminus der Polarfiktion zu verstehen. Eine Reihe von Topoi und Charakteristika von Eisliteratur erweisen sich als kennzeichnend für diese Literatur: Faszination des Eises und damit einhergehend das Spannungsfeld, in dem sich die faszinierte Person befindet, Ängste, Schrecken, Wahn, Phantasien, Imaginationen, Konfrontation des Individuums mit dem Fremden und der Natur, psychische und physische Grenzerfahrungen und der Wunsch, Spuren im vermeintlich Unbetretenen zu hinterlassen. Auffällig sind auch die für Eisliteratur typische(n) Figur(en) des/der Nachfahrenden und das Motiv des Doppelgängers/der Doppelgängerin. Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, warum der eisigen Welt eine intensive Faszination von Seiten des eurozentristisch geprägten Literaturkanons zukommt? Mithilfe psychoanalytischer Konzepte, nach Freud, Bernfeld und Kristeva, wird der Begriff der Faszination aufgearbeitet und gewonnene Erkenntnisse kommen in den Werkanalysen von Mary Shelleys Frankenstein or The Modern Prometheus, Hans Christian Andersens Die Schneekönigin und Christoph Ransmayrs Die Schrecken des Eises und der Finsternis zur Anwendung. Die Auslotung der sozialen Gefüge, der Bedrohung durch das Fremde, des Wunsches nach Aneignung der Natur, der Schrecken der Kälte und der psychischen und physischen Grenzerfahrungen bildet einen zentralen Aspekt der in unterschiedlichen Epochen verorteten Werke. Dank dieser Sujets können die Werke zusammengeführt werden. Genderspezifische Auseinandersetzungen werden aufgearbeitet, um die Konstruktion der Helden in Frankenstein und Die Schrecken des Eises und der Finsternis vergleichend aufarbeiten zu können. Lacans Konzept des Anderen als notwendiger Bestandteil der Subjektivierung bildet einen wichtigen Aspekt bei der Auseinandersetzung mit der Fremde. Geopoetische und geokulturologische Konzepte und Lethens Theorienkorpus zur Kälte finden hinsichtlich der Werke von Shelley, Andersen und Ransmayr Anwendung. Affinitäten der Werke lassen sich in Bezug auf die Faszination des Eises, die Gleichsetzung der eisigen Landschaft mit Weiblichkeit und das mit der Reise stets einhergehende Spannungsfeld von Angst, Schrecken und Imaginationen feststellen. The human individual is fascinated by icy landscapes; their distance, their force and their extremes, for example the coldness and the polar night lasting for months. This phenomenon is reflected in ice-literature. My understanding of the term ice-literature includes literature which covers both ice and icy landscapes. Thus, the texts do not exclusively have to be located in polar regions. This means that the expression is an extension to the term Polar fiction as a.i. used by Menke. A series of topoi and characteristics of ice-literature denote this kind of literature: the fascination of ice, consequently accompanied by an area of conflict; fears, terrors, delusions, fantasies, imagination, confrontation of the individual with the unknown and nature, experiencing mental and physical limits and the desire to leave one's mark on the supposedly untrodden. Further striking are the typical figures of the descendant and the motif of the doppelgaenger. One main question of my work is: why does the icy landscapes exert such a fascination in euro-centric influenced literary canon. Using psychoanalytic concepts from Freud, Bernfeld and Kristeva, the term „fascination“ becomes more precise and this new knowledge is applied to Mary Shelley‘s Frankenstein or The Modern Prometheus, Hans Christian Andersen‘s Die Schneekönigin and Christoph Ransmayr‘s Die Schrecken des Eises und der Finsternis. The exploration of the social arrangements, the threat of the unknown, the desire for the appropriation of nature, the horror of the cold and experiences of mental and physical limits are central aspects of the works throughout time. Thanks to these commonalities the works can be brought together. Gender-specific debates are comparatively analyzed to detect the construction of heros in Frankenstein and Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Lacan‘s concept of the Other as a necessary component of subjectification is an important aspect for the examination of the foreign; geopoetical and geocultural conceptions and Lethen‘s theoretical complex about Coldness are applied to the works of Shelley, Andersen and Ransmayr. Affinities are shown between the narratives concerning fascination with ice, equalisation of the icy landscape and femininity, and travel, that always accompany fear, fright and imagination.