Ein mechanistisches Stomatamodell für ökologische Fragestellungen

In dieser Arbeit wurde ein Modell der Stomatareaktion entwickelt, das die Wechselwirkungen der Umweltfaktoren CO2, Licht, Luftfeuchte, Bodenfeuchte und Blattemperatur auf mechanistischer Basis beinhaltet. Die prozeßorientierte Beschreibung setzt bei bekannten physiologischen Zusammenhängen an. Das S...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Hoffstadt, Johannes
Other Authors: Institut für Pflanzenökologie
Format: Doctoral or Postdoctoral Thesis
Language:German
Published: Justus-Liebig-Universität Gießen 2000
Subjects:
Online Access:http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:26-opus-4006
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2001/400/
Description
Summary:In dieser Arbeit wurde ein Modell der Stomatareaktion entwickelt, das die Wechselwirkungen der Umweltfaktoren CO2, Licht, Luftfeuchte, Bodenfeuchte und Blattemperatur auf mechanistischer Basis beinhaltet. Die prozeßorientierte Beschreibung setzt bei bekannten physiologischen Zusammenhängen an. Das System 'Schließzellenkomplex' beginnt bei der mechanischen Umsetzung von hydrostatischem Druck in eine Öffnungsweite und damit in eine Leitfähigkeit für die Diffusion von Wasserdampf. Der Druck besteht aus hydraulischen und osmotischen Komponenten - erstere passiv abhängig von der Transpiration, letztere als aktiv durch Umweltfaktoren geregelter Ionenhaushalt der Schließzellen. Der Anteil des latenten Wärmestromes im Energiehaushalt des Blattes wirkt über die Blattemperatur rückkoppelnd auf den Gradienten der Diffusion und damit auf den Wasserhaushalt sowie über die Temperaturabhängigkeit der Biochemie auf den Ionentransport. Der Bodenwasserstatus in unmittelbarer Umgebung der Wurzeln wirkt über das hormonelle Signal ABA auf die Ionenpumpen. Die dynamische Beschreibung des Systems liefert gekoppelte Differentialgleichungen für die Zustandsvariablen Wasservolumina und Ionenmengen in Schließzellen und Umgebung sowie die Blattemperatur. Die Gleichungen müssen numerisch integriert werden. Zur Erleichterung der Parameterisierung und aus Geschwindigkeitsgründen wurden Steady-State-Gleichungen für die Leitfähigkeit abgeleitet. Das Modell wurde mit einem Grund-Parametersatz versehen und einer Sensitivitätsanalyse unterzogen, um hinterher mit der Methode der inversen Modellierung die Parameter schnell bestimmen zu können. Gaswechselmessungen der Arbeitsgruppe zur CO2-Reaktion der Vegetation, die in den Jahren 1994-1999 an verschiedenen Bäumen in mehreren Erdteilen durchgeführt wurden, lieferten Daten zur artspezifischen Parameterisierung des Modells für Quercus ilex und Quercus myrsinifolia (immergrüne Hartlaubeichen aus dem Mittelmeerraum bzw. aus Japan), Betula tortuosa und Betula nana (aus polarem Birkenwald und Zwergstrauchtundra), Quercus robur und Fagus sylvatica (aus heimischen Laubwäldern), Luehea divaricata und Nectandra megapotemica (aus dem Regenwald Nordost-Paraguays), Aspidosperma quebracho-blanco (aus dem Chaco Boreal) und einen unbestimmten Baum der Campos Cerrados. Ein Großteil der Meßdaten zeichnet sich durch einen unbekannten Einfluß aus, der trotz konstantem Blattklima im Tagesverlauf zu einem Sinken der Stomataleitfähigkeit führt. Die artspezifische Parameterisierung wurde nach Möglichkeit aus Meßdaten ohne Tagesgang gewonnen. Meßdaten mit Tagesgang wurden für die Validierung des Modells verwendet. Für den Betrieb des Stomatamodells mußte die Eingangsgröße 'wurzelnahes Bodenwasserpotential' (psi_r) ergänzt werden. In der Modellvorstellung hängt diese Größe ab vom mittleren Wasserstatus des Bodens als Reservoir, der Entnahme an den Wurzeln durch wetterabhängige Transpiration des Baumes und dem Nachleitwiderstand der Bodentextur. Zur Parameterisierung wurde ein fester Wert für psi_r je nach subjektiv eingeschätzten Bodenbedingungen gesetzt. Bei den Daten mit Tagesgang wurde angenommen, daß psi_r für alle Abweichungen zwischen parameterisiertem Modell und den Messungen verantwortlich ist. Mit dieser Annahme existiert eine Methode zur Bestimmung des effektiven Wasserpotentials für die Wurzeln. Zwar konnte die Methode nicht absolut kalibriert werden, da keine Daten für psi_r vorlagen, aber es war möglich, Indizien für die Brauchbarkeit der Methode aus den relativen Änderungen von psi_r abzuleiten, die für einen Großteil der Messungen plausibel mit dem Wettergeschehen und der Bodenfeuchte korrelierten. Aus den Erfahrungen mit der Parameterisierung und mit der Bestimmung von psi_r wurden Vorschläge für gezielte Experimente aufgestellt, mit denen die Variabilität der Meßdaten minimiert wird, das Modellverhalten besser abgetastet werden kann und offene Hypothesen über Prozesse bestätigt oder widerlegt werden können. Als Ergebnis der Arbeit wird festgestellt, daß das Modell gemessen am vorhandenen Datenmaterial das Potential für eine brauchbare Vorhersagequalität hat, sofern psi_r vernünftig erfaßt werden kann. Die Methode der Bestimmung von psi_r mit einem parameterisierten Modell ist vielversprechend, kann aber erst abschließend verifiziert werden, wenn Gaswechselmessungen mit Messungen des Bodenwasserstatus und des Gesamtwasserverbrauchs kombiniert werden. Für zukünftige Entwicklungen wurden neben neuen Experimenten auch Vereinfachungen des Modells vorgeschlagen. Ein weiterer wahrscheinlicher Einsatzbereich des Stomatamodells ist die Anwendung auf die Messungen der Arbeitsgruppe zur Anpassung von Pflanzen an höhere CO2-Konzentrationen. Es könnte damit festgestellt werden, ob und welche Parameter sich durch langfristige Exposition verändern. In my thesis a model of stomatal conductance has been developed. The environmental variables CO2, light, humidity, soil moisture, and leaf temperature interact on a mechanistic level. Regulating processes are described in terms of known physiological relations. We set out from the mechanical translation of hydrostatic pressure into an aperture, and thus into a conductance for diffusion of water vapor. Hydrostatic pressure has an hydraulic and an osmotic component; the former (passively) due to the transpiration flux, the latter being determined by (active) regulation of the guard cells' ion content according to environmental conditions. Transpiration removes latent heat from the energy budget, while in turn the resulting leaf temperature governs the driving force for transpiration, and thus leaf water status. Temperature also modifies the ion pumping rate. Soil water availability as sensed by fine roots influences production of the phytohormone ABA, which inhibits the pumping mechanism. A dynamic description of the whole system leads to coupled differential equations for the state variables water volume and ion content (for both guard cells and their surroundings) and leaf temperature. These equations can be integrated numerically. Approximate equations for a steady-state stomatal conductance have been derived to facilitate parameterisation and for performance reasons. Using an initial set of model parameters, a sensitivity analysis demonstrated how to estimate parameter values quickly by a method of inverse modelling. From 1994 to 1999, we studied the CO2 response of vegetation by measuring gas exchange of leaves of various trees in several parts of the globe. Those data were used to determine model parameter sets for the following species: Quercus ilex and Quercus myrsinifolia (evergreen xerophytic oaks from the Mediterrean and from Japan, respectively), Betula tortuosa and Betula nana (boreal birch forest and tundra), Quercus robur and Fagus sylvatica (European temperate deciduous forest), Luehea divaricata and Nectandra megapotemica (seasonal rain forest in north-east Paraguay), Aspidosperma quebracho-blanco (Chaco Boreal, a tropical dry forest) and an unclassified tree from the campos cerrados. Many data sets exhibit an unknown influence which leads to a decline of conductance during the day in spite of constant leaf climate. If possible, data sets without this 'drift' were used to obtain species-dependent parameter sets. Data sets showing the 'drift' were used to validate the model. To run the model, the missing input value 'soil water potential close to the roots' (psi_r) had to be supplemented. From a system perspective, this value depends on the bulk water status of the soil (acting as a reservoir), the uptake at the roots (according to the whole-tree transpiration driven by weather conditions), and the resistance of the soil texture against water flow. Parameter settings relied on a fixed value of psi_r, which was estimated according to soil water conditions and precipitation history. In the case of data sets with 'drift', the assumption was tested that any deviation of model predictions from experimental data might originate from the unknown true value of psi_r. This provided a way to determine an effective water potential at the roots. While it was not possible to relate psi_r to absolute values, there is still some evidence for the usefulness of this method gained from the relative changes of psi_r, which correlate with transient weather phenomena and soil moisture. Discussing parameterisation and determining psi_r led to suggestions for dedicated experiments in order to minimise variability of experimental results, to sample the model's behavior in a better way, and to confirm or reject the hypotheses on regulation processes. As a result it is noted that the model is sufficiently capable of predicting stomatal conductance - given some reasonable value for psi_r. The method for determining psi_r with a fully parameterised model is regarded as promising, but can only be conclusively verified by combining gas exchange measurements with data on soil water status and total water consumption. Future developments proposed include simplifications of the model, as well as application on CO2 acclimation: here, the model could be used to determine if, and how, some parameters of the regulating processes change due to prolonged exposition to higher CO2 concentrations.